Grüne Kommunalpolitik am Beispiel Gilching – Spannung im Stromnetz 1. April 19869. Mai 2017 In Gilching proben die GRÜNEN den Ausstieg der Gemeinde aus dem Diktat der Stromversorgungsuntemehmen Seitdem die GRÜNEN in zahlreichen bayerischen Kommunalparlamenten sitzen, kommen hin und wieder Dinge an den Tag, die einem die Haare zu Berge stehen lassen. So durchleuchteten im oberbayerischen Gilching zwei Gemeinderäte der GRÜNEN die sogenannten Zustimmungsverträge, die die Gemeinde mit den Energieversorgungsunternehmen über die Stromversorgung des Ortes abgeschlossen hatte. Gilching, im Landkreis Starnberg, hatte sich vertraglich gegenüber den Isar-Amper-Werken verpflichtet, „elektrische Energie-Erzeugungs- und -Verteilungsanlagen zur Versorgung Dritter weder zu errichten noch zu betreiben“. 20 Jahre hat diese Vereinbarung Gültigkeit, und nach Ablauf dieser Zeit, so sicherten die Gemeinderäte mehrheitlich dem Stromlieferanten zu, werde „bei gleichen Bedingungen und Strompreisen den Isar-Amper-Werken vor anderen und eigenen Unternehmen der Vorzug“ gegeben. Die gewählten Volksvertreter erklärten sich zudem bereit, ohne Zustimmung der Isar-Amper-Werke keine Stromleitung eines anderen Energieversorgungsunternehmens auf ihrem Gemeindegebiet zu dulden. Sie räumten auch den Isar-Amper-Werken das Recht ein, darüber zu entscheiden, wie lange täglich die Straßenbeleuchtung eingeschaltet sein muß. Durch die sogenannte Konzessionsabgabe fiel den Gemeinderäten der Abschluß dieses Zustimmungsvertrages leicht. Denn als Gegenleistung verpflichtete sich das Energieversorgungsuntemehmen an die Gemeinde über 100000 Mark zu zahlen – in den Augen der GRÜNEN nichts anderes als „ein Bestechunqsgeld„. Bei einer Geheimsitzung war der Vertrag von den Gemeinderäten abgesegnet worden. Licht in das Monopol der Stromversorgung brachten die beiden grünen Gemeinderäte Peter Unger und Dr. Otto ViIsmayer. Obwohl nach Bekanntwerden der Vertragsbedingungen das bayerische Wirtschaftsministerium die Bedenken der GRÜNEN bestätigte, brummte der Gilchinger Bürgermeister Heinrich Will den beiden Gemeinderäten je 200 Mark Ordnungsgeld auf, weil sie das Thema an die Offentlichkeit brachten. Gilchings grüner Gemeinderat Peter Unger Neben rechtlichen Bedenken gegen die „unzulässiqen Knebelungsverträge, mit denen die Energieversorgungsunternehmen möglicherweise in zahlreichen Gemeinden Bayerns ihre MonopolsteIlung rücksichtslos ausnützen„, haben die GRÜNEN auch aus ökologischen Gründen gegen die Vereinbarungen votiert. „Sie verhindern auf Dauer eine umweltschonende Stromproduktion“, so der Gilchinger Gemeinderat Peter Unger. So sei es den Gemeinden danach nicht mehr erlaubt, selbst Strom zu erzeugen, beispielsweise durch die Kraft-Wärme-Kopplung, für die es bei zentralen Heizanlagen in Schulzentren, Krankenhäusern, Rathäusern und ähnlichen Einrichtungen realistische Möglichkeiten gibt. Auch überschüssige elektrische Energie kann dann in das öffentliche Stromnetz nur mit der Zustimmung der Stromversorger eingespeist werden. Die Landeskartellbehörde in Bayern schloß sich mittlerweile der Kritik der GRÜNEN an und verwarf die „Eintrittsklausel“, die gegen die gesetzliche Beschränkung der Laufzeit von Konzessionsverträgen von 20 Jahren verstößt. Die Bedeutung: Auch nach dem Ablauf des Vertrages genießt der bisherige Stromlieferant ein Vorrecht gegenüber alternativen Stromanbietern. Diese Klausel, deren Unrechtmäßigkeit inzwischen auch vom Oberlandesgericht bestätigt worden ist, war Bestandteil des Stromlieferungsvertrages der Isar-Amper-Werke mit der Gemeinde Gilching. Fakten Die Versorgung mit Energie und Wasser ist nach Artikel 83 der Bayerischen Verfassung Aufgabe der Gemeinden. Bislang erfüllen die meisten Kommunen ihre Aufgabe dadurch, daß sie einma in 20 Jahren – häufig auch noch seltener – einen Vertrag mit einem Elektrizitätsversorgungsunternehmen unterschreiben. Damit geben die Gemeinden ihre Einflußmöglichkeit auf die Energieversorgung auf, denn die Stromlieferung läuft dann fast ohne öffentliche Kontrolle. Zudem verpflichten sich die Gemeinden vertraglich, Eigenerzeugungsanlagen für Energie weder zu errichten noch zu betreiben. Die verbrauchernahe, dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung und die Nutzunq regenerativer Energie in Kleinanlagen sind damit so gut wie ausgeschlossen. Grundlage der Vereinbarunq zwischen Gemeinden und Stromversorger ist der Konzessionsvertrag. Auch für ihn gilt grundsätzlich das Prinzip der Vertragsfreiheit (§ 305 BGB). Doch haben sich in der Praxis einige Regelungen herausgebildet, die in praktisch allen Konzessionsverträgen enthalten sind. Neben der Einräumung von Wegerechten wird in der Regel eine „Ausschließlichkeitsklausel“ vereinbart, wonach sich die Gemeinde verpflichtet, keinen anderen Stromversorgern Wegerecht für die Durchführung einer Versorgung im Gemeindegebiet einzuräumen. Das ist insoweit vernünftig, als es weder aus ökologischen noch aus wirtschaftlichen Gründen vertretbar wäre, daß mehrere Stromversorger im gleichen Gebiet Leitungen verlegen. Im Gegenzug übernimmt der Stromlieferant die Verpflichtung zu einer flächendeckenden Versorgung im Gemeindegebiet. Der Köder Die Methode, mit der insbesondere die Isar-Amper-Werke derzeit Vertragsverlängerungen und Neuabschlüsse längst vor Auslaufen des alten Vertrages durchsetzen, ist immer wieder die gleiche: Sie bieten den Gemeinden neue Bedingungen und Preise für Straßenbeleuchtungen an. Die Kommunen sparen dadurch etwa 25 Prozent der Kosten für den Betrieb. Außerdem beteiligen sich die Isar-Amper-Werke verstärkt an den Errichtungskosten. Der Pferdefuß: Die Gemeinde muß dafür einen neuen Konzessionsvertrag mit längerer Laufzeit abschließen. Diese Koppelung von besseren Preisen mit einer Verlängerung des Konzessionsverhältnisses ist sittenwidrig im Sinne des § 826, BGB. Auch der Bundesgerichtshof hat 1976 die Sittenwidrigkeit festgestellt, nachdem ein Stromversorger bei einem Sondervertragskunden die Gewährung .eines günstigen Tarifs von einer Vertragsverlängerung abhängig gemacht hatte. Artikel aus der Wahlkampfzeitung zur Landtagswahl 1986 Bavaria Grün, Ausgabe 2 (insgesamt 4 Ausgaben)
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